30. Juli - 15.August 2024
30. 7. 2024:
Bei Nieselregen legen wir Richtung Nord-West nach Brasilien ab. Wir erwarten für die gesamte Überfahrt achterliche Winde.
Die ersten zwei Tage kommt der Wind mit 17 - 25 Knoten aus Süd-Ost und Ost-Süd-Ost. Die See ist sehr rau, die Wellen sind um die drei Meter hoch.
Am 1. August nehmen Wind und Wellen etwas ab und wir setzen zum ersten Mal den neuen, 95 m2 großen asymmetrischen Spinnaker, ein Leichtwindsegel, es ist aufregend. Wir haben in den Asymmetric sehr große Erwartungen bei achterlichen Winden gesetzt und diese werden erfüllt. Wir segeln sehr ruhig und mit mehr als der halben Windgeschwindigkeit. Wir sind sehr froh, dass wir uns für dieses Segel entschieden haben. Mitten in der Nacht müssen wir den Asymmetric wegen Flaute bergen, was mit dem Sack, der über das Segel gezogen wird, rasch und gut geht.
Im Südatlantik tut sich sehr wenig. Bis jetzt haben wir nur zwei Cargo-Schiffe am Monitor gesehen und etwa 400 Seemeilen von St. Helena entfernt drei chinesische Fischerboote.
Am 2. August am Abend können wir den Asymmetric wieder setzen. Bei scheinbaren Winden zwischen 8 - 14 Knoten erreichen wir Bootsgeschwindigkeiten über 7 Knoten, maximal bis 9 Knoten. Wir genießen das Segeln mit dem Asymmetric sehr.
Die Nacht vom 3. auf den 4. August ist hart. Die See ist deutlich rauer geworden. Die Wellen sind zwischen zwei und drei Meter hoch, die Böen nehmen zu.
Am 4. August am späten Nachmittag entschließen wir uns, den Asymmetric zu bergen. Erwin hat größte Mühe, den Sack herunterzuziehen. Der Winddruck ist gewaltig. Wir segeln vorerst nur mit dem Vorsegel weiter. Wir müssen uns erholen und brauchen eine ruhige Nacht.
Am 5. August in der Früh geht der 'low voltage alarm' los. Der Ladezustand der Batterien wird mit 79,1% angezeigt. Das überrascht uns. Die neuen, in St. Helena gekauften Batterien sind gerade einmal eine Woche alt.
Vom 5. bis 12. August segeln wir wieder mit dem Asymmetric. Es sind friedliche, entspannte Segeltage. Der Südatlantik präsentiert sich von einer positiven Seite. Die Winde sind moderat, die See ist ruhig. Es ist warm, tagsüber scheint oft die Sonne, einige Male haben wir, nur in der Nacht, wolkenbruchartige Regengüsse. Der Asymmetric ist erfreulich tolerant, er steht auch noch bei sehr wenig (um die 4 Knoten) Wind.
12. August:
Im Morgengrauen ist wieder 'low voltage alarm', dieses Mal bereits bei 92% Batterieladung. Die neuen Batterien sind eine Katastrophe, sie sind schlechter als die alten. Die haben zumindest zwei Jahre gehalten.
In der Früh kommen wir in eine Flaute. Bei 2 Knoten müssen wir den Asymmetric dann doch bergen. Bis der Wind wieder zurück ist, motoren wir einige Stunden.
Der Wind hat zuletzt zunehmend auf Süd (SSE) gedreht und wir sind, da wir den Asymmetric nicht unter einem Windwinkel von 110° segeln können, immer weiter vom Kurs abgekommen. Wir entscheiden uns, jetzt das Groß, den Code Zero und das Vorsegel zu setzen und direkten Kurs auf Fernando zu nehmen. Das in den Windstellen, um das Groß zu setzen geht ganz gut, obwohl wir nur einen Motor zur Verfügung haben. Seit dem 9. August ist der Backbordmotor ausgefallen.
Mit der Kursänderung kommen die Wellen von der Seite, das Boot ist sehr unruhig und laut. Wir sind inzwischen vom Asymmetric verwöhnt, mit dem das Segeln sehr ruhig ist und leiden ziemlich.
Am 13. August werde ich um 6 Uhr Früh von Erwin mit der Nachricht 'die Steuerung ist ausgefallen' aus einem kurzen Schlaf geholt. Im ersten Moment denke ich an den Autopiloten, der uns wegen intermittierender, ungewöhnlicher Geräusche seit der Überfahrt nach St Helena Sorgen bereitet.
Aber es ist nicht der Autopilot, sondern das Steuerungsseil, es ist gerissen! Wir sind 185 Seemeilen von der Insel Fernando de Noronha entfernt. Das Boot fährt mit den drei gut gefüllten Segeln bei 15 Knoten Wind völlig balanciert ohne Steuerung auf Kurs dahin.
Erwin hatte Wache, vom Salon aus ist ihm aufgefallen, dass sich das Steuerrad nicht mehr bewegt, ist zum Steuerstand hinaus und konnte das Steuerrad ohne Widerstand drehen. Das Gefühl muss schrecklich gewesen sein.
Die drei Segel müssen hinunter, denn die Situation kann sich plötzlich ändern. Wir rollen zuerst den Code Zero und das Vorsegel ein. Erwin kann das Groß ganz gut herunterziehen, obwohl der Wind von der Seite kommt.
Ohne Segel treiben wir mit etwa 2 Knoten, zuerst in Richtung Fernando, dann dreht sich das Boot, ohne dass sich die Windrichtung und -stärke verändert hat, um 180° in die Gegenrichtung. Die Sonne scheint, der Wind hat um die 15 Knoten, die Wellen sind um die zwei Meter hoch.
Erwin findet die Stelle, an der das Drahtsteuerungsseil gerissen ist. Diesmal ist es nicht der Rost, sondern ein Ermüdungsbruch bei einer 90° Umlenkrolle. Sie befindet sich an einer kaum einsehbaren Stelle im steuerbordseitigen Motorraum. Die Reparatur wird schwierig. Wir frühstücken zuerst einmal. Zuletzt hatten wir kurz vor Cocos Keeling Probleme mit der Steuerung.
Die Reparatur dauert 10 Stunden, ist für Erwin in dem engen, heißen Motorraum extrem anstrengend. Die beiden Drahtseilenden müssen gekürzt werden, dann wird jedes Ende mit einer Kausch abgeschlossen. Das nun fehlende Stück ersetzt Erwin mit Dyneema. Der Abstand zwischen den beiden Kauschen ist kritisch, weil diese ja nicht über die Umlenkrolle gehen können. Anpassungen sind notwendig. Dann muss die Kette, die auf dem Zahnkranz des Steuerrades mittig liegen muss, durch einen etwa 10 cm engen Schacht etwa 120 cm in die Höhe gehoben und auf dem Zahnkranz aufgelegt werden. Schlussendlich müssen die Ruder in Mittelstellung fixiert und die Steuerseile gestrafft werden. Unsere Nerven liegen blank. Das Ergebnis ist nicht optimal aber wir haben nicht mehr die Nerven für Verbesserungen.
Kurz bevor die Sonne untergeht können wir wieder einen Kurs anlegen. Wir setzen nur das Vorsegel. Zu mehr haben wir nicht die psychische Kraft, und segeln mit um die 3,5 Knoten Bootsgeschwindigkeit durch die Nacht.
Wir hören lautes 'Krah-Krah'. Wir drehen das Licht im Cockpit auf und sehen 6 mittelgroße schwarze Vögel mit langen Flügelfedern, die uns als Rastplatz entdeckt haben. Drei haben es sich am Dach des backborseitigen Steuerstandes und auf der Steuersitzlehne bequem gemacht, drei sitzen auf der Reeling. Sie sind nicht scheu, denn das Licht irritiert sie nicht. Leider verlassen sie uns beim ersten Morgengrauen, bevor wir sie fotografieren können.
14. August:
Im Morgengrauen geht der 'low voltage alarm' bei 96,4% Batterieladung los und wir müssen den Motor starten. Noch vor dem Frühstück rollen wir wieder den Code Zero aus und segeln mit 6 - 7 Knoten Bootsgeschwindigkeit zügig Richtung Fernando. Es ist stark bewölkt, sodass unsere Solarpaneele nicht viel zur Batterieladung beitragen können. Kurz nach Sonnenuntergang ist die Spannung bereits bei 97,2% Batterieladung kritisch abgefallen und wir brauchen den Motor.
Die See wird zunehmend rauer, der Wind legt zu, in den Böen auf bis zu 24 Knoten. Das ist für den Code Zero zu viel, wir müssen ihn einrollen. Wir warten auf eine windschwächere Phase für das Einrollmanöver. Bis jetzt hatten wir am Abend immer eine Flaute, die wenige Minuten bis eine Stunde angehalten hat. Heute warten wir vergeblich, dass sich der Wind abschwächt und entscheiden uns bei 18 Knoten scheinbaren Wind für das Manöver. Kaum hat Erwin mit dem Einrollen begonnen, der Zug ist gewaltig, springt wenige Sekunden später die Reffleine aus der Furlernut. Der Furler ist zu weit vorne über der Bugsprietspitze, sodass die Reffleine nicht repositioniert werden kann. Wir können den Code Zero nicht mehr einrollen, müssen mit ihm weitersegeln. Falls keine windschwächere Phase kommt, müssen wir den Code Zero in der Windabdeckung von Fernando herunterholen. Wir sind mit 7,5 bis 8 Knoten viel zu schnell, dazu eine unangenehme Welle von der Seite, sind ziemlich gestresst, verbringen gemeinsam die Nacht vor dem Monitor.
15. August:
Kurz nach 3 Uhr früh sind wir vor Fernando de Noronha. Von einer Windabdeckung merken wir wenig, haben immer noch 18 Knoten scheinbaren Wind, zumindest sind die Wellen deutlich weniger. Wir haben das Bergemanöver des 75 m2 großen Segels durchdiskutiert und hoffen, dass es wie vorgesehen klappt. Wir haben jede Menge Taue am Vorderdeck zum Beschweren des Segels vorbereitet, ich starte den Motor, gehe auf 2.200 Umdrehungen, steuere so, dass das Segel zu killen beginnt. Erwin gibt das Fall frei und der Code Zero rauscht innerhalb einer Sekunde herunter. Der untere Teil des Segels fällt auf das Deck, der obere Teil wird durch die Wanten nach außen gelenkt und fällt ins Wasser. Erwin stürzt sich auf das am Deck liegende Segel, das der Wind immer wieder aufblähen will, beschwert es mit den Taubündeln und ich ziehe den außerbordliegenden Teil vom Wasser herauf. Das Manöver glückt und wir sind unglaublich erleichtert.
Von 3:30 bis 6:15 Uhr fahren wir vor der Bucht mit dem Vorsegel auf und ab. Wir wissen, dass in der Bucht unbeleuchtete Boote liegen. Mit Tagesanbruch steuern wir unseren Ankerplatz an. Auf dem Weg dorthin verfangen sich im Wasser treibende Taue beim backbordseitigen Ruder. Wir rufen über Kanal 16 und 12 um Hilfe, aber keine Antwort. Hier versteht man kaum Englisch. Erwin geht mit Schnorchelausrüstung ins Wasser und hat teilweisen Erfolg, kann ein Tau loslösen. Ein Tau lässt sich aber nicht lösen und muss durchtrennt werden. Wir sind wieder frei.
15. August - 4. November 2024
15. - 24. August 2024
15. August 2024:
Nach 2.009 Seemeilen und 15,5 Tagen ankern wir um 8:30 Uhr in der Bucht von Port Santo Antonio. Um uns herum liegen viele kleine Motorboote und Ausflugsboote an Bojen, wir sind die einzige Segelyacht in der Bucht.
Fernando de Noronha ist ein Archipel vulkanischen Ursprungs, etwa 200 Seemeilen von der Nordostküste Brasiliens entfernt. Nur die 10 km lange und 3,5 km breite Hauptinsel ist bewohnt (3.000 Einwohner). Seit 2001 ist der Archipel UNESCO Weltnaturerbe. Er hat eine wunderbare, artenreiche Unterwasserwelt. Täglich kommen Spinner Delphine in die Bucht geschwommen und man kann sie von weitem beobachten, wie sie aus dem Wasser springen. Die Delphine sind besonders geschützt, man darf sich maximal auf 100 Meter nähern, bei Nichteinhalten drohen empfindliche Strafen. Das wird vom Hafenkapitän-Office aus mit dem Fernglas kontrolliert. Mit den Delphinen schwimmen, das war einmal.
Nach einigen Stunden Schlaf wollen wir an Land. Der Außenborder startet nicht. Nach dem Reinigen des Vergasers läuft er perfekt, wir sind erleichtert. Zum Einklarieren ist es inzwischen zu spät. Wir fahren mit dem Taxi in den nächsten Ort, wo es das einzige ATM-Gerät auf der Insel gibt. Den Abend verbringen wir in dem Restaurant am Hügel über dem Hafen.
Zur 'Crocodile' zurück muss Erwin rudern, der Außenborder lässt sich nicht starten. Der konstante Süd-Ost-Wind weht vom Land zu den Booten. Es ist stockfinster und wir haben kein Ankerlicht eingeschaltet, können aber den einzigen Mast in der Bucht erkennen.
16. August:
In der Früh reinigt Erwin wieder den Vergaser. Wir fahren los, der Außenborder lässt sich starten, stirbt aber auf halbem Weg zum Ufer ab. Zum Ufer ist es nicht sehr weit, zum Rudern ist das Dinghy aber nicht gut geeignet, noch dazu mit Gegenwind. Ein vorbeikommendes Dinghy nimmt uns in Schlepptau. Die Leute sind generell sehr freundlich und hilfsbereit.
Das Einklarieren verläuft in freundlicher Atmosphäre. Der Hafenkapitän spricht nur Portugiesisch, mit einer Übersetzungs-App am Computer klappt die Kommunikation aber ganz gut. Wie üblich sind eine Menge Formulare auszufüllen.
Wir fahren mit dem Bus zu dem einen Ort auf der Insel, wo es SIM-Karten geben soll. Sie sind nur leider ausverkauft. Wann eine neue Lieferung kommt, weiß man nicht. Wir sind ziemlich sauer. Der örtliche Supermarkt ist auch eine herbe Enttäuschung. Ich sehne mich nach dem gut sortierten Woolworth an der Waterfront in Kapstadt.
Wir mieten einen Buggy, um die Insel zu erkunden. Die Buggies sind ein sehr beliebtes Fortbewegungsmittel auf der Insel. Es sind die Buchten, die von spektakulären Vulkanfelsen umgeben sind und die traumhaften Strände, die die Insel einmalig machen. Es ist die Urlaubsinsel der wohlhabenden Brasilianer und Honeymooner. Es gibt keine großen Hotelkomplexe. Pro Tag dürfen maximal 400 Besucher auf der Insel sein. Wir haben den Eindruck, dass das nicht ganz so genau genommen wird.
Wir finden immer einen Sonnenschirm mit zwei Liegen. Vom Strand Cacimba do Padre sind wir begeistert, ebenso vom lässig-stilvollen Strandrestaurant. Hier könnte man es länger aushalten.
Wir haben einige Reparaturen am Boot zu machen, der Außenborder startet nicht mehr und Internet haben wir nach wie vor keines. Wir werden nach Jacaré weitersegeln. In Jacaré gibt es eine in einem Fluss liegende gut beurteilte Marina und wir hoffen, dass dort die Reparaturen gemacht werden können.
24. August:
Nachdem zwei Taucher unsere Ankerkette in 11 m Tiefe von einem Felsblock befreit haben, legen wir um 11:30 Uhr Richtung Süd-Westen zum brasilianischen Festland ab. Zum Abschied sind heute besonders viele Delphine in unserer Nähe, ebenso eine Mooring-Leine, die sich mehrmals um den steuerbordseitigen Propeller gewickelt hat. Erwin hat schon eine gewisse Übung im Befreien von Mooring-Leinen, das Wasser ist glasklar und warm, trotzdem ist es mühsam und er muss sich eine halbe Stunde lang abplagen. Noch in der großen Bucht von Santo Antonio setzen wir das Groß mit zweitem Reff und das Vorsegel. Wir segeln einige Seemeilen entlang der Insel und solange wir noch in der Abdeckung von Fernando sind, ist das Wasser ruhig und glatt und die Bootsgeschwindigkeit um die 8 Knoten. Im freien Ozean nehmen dann die Wellen rasant zu und die See wird zunehmend rauer.
Für die etwa 250 Seemeilen nach Jacaré werden wir zwei Tage und Nächte unterwegs sein. Wir erwarten einen konstanten Süd-Ost Wind zwischen 15 - 20 Knoten mit Böen bis 26 Knoten.
Anfänglich kommt der Wind aus Ost-Süd-Ost, ist mit 24 - 27 Knoten deutlich stärker als vorhergesagt, dreht dann mehr nach Süden, sodass der Windwinkel für uns zunehmend ungünstiger wird. Um den Kurs zu halten, müssten wir mit weniger als 50° am Wind segeln, die Bootsgeschwindigkeit wäre gering und die Abdrift groß.
Mit rund 55 bis 65 ° Windwinkel entfernen wir uns bis zu 20 Meilen von der Kurslinie. Der Wind bleibt in den hohen Zwanzigern. Die zwei bis drei Meter hohen Wellen kommen von der Seite, die See ist sehr rau. Alle Deckenpaneele der steuerbordseitigen Heckkabine fallen herunter.
25. August:
In der Früh laden wir noch einmal die Wetterprognosen herunter und sehen, dass wir mit Motorhilfe kreuzen müssen, wollen wir unser Ziel, die Mündung des Gezeitenflusses Rio Paraiba in den Atlantik, erreichen. Hart am Wind gegen die Wellen kämpfen wir uns bis zur Kurslinie und etwa 4 Meilen darüber hinaus zurück. Dann dreht der Wind wieder auf Süd-Ost und teils auf Ost-Süd-Ost, was günstig für uns ist, und wir können mit Motorunterstützung direkten Kurs auf die Flussmündung anlegen.
26. August:
Um 11:30 Uhr bergen wir vor der Flussmündung die Segel und fahren im gut ausgetonnten Fluss unter Motor die wenigen Seemeilen bis zur Marina.
26. August - 1. Oktober 2024
26. August:
Über Funk versuchen wir vergeblich, die Marina zu erreichen und ankern letztlich nach 295 Seemeilen und 48 Stunden vor der Marina in 4 m Tiefe. In der Nähe sehen wir die 'High Flight' von Wolfgang und Ilse liegen, die wir von Durban kennen. Das ist eine angenehme Überraschung.
27. August:
Die Jacaré Village Marina wird von Nicholas, einem Franzosen, geleitet, der neben der Landessprache ausgezeichnet Englisch spricht und sehr freundlich und hilfsbereit ist. Er organisiert einen Taxifahrer, der uns fast den ganzen Tag quer durch die Stadt zu den Behörden zum Einklarieren und auch zu zwei Einkaufszentren fährt.
Wir bekommen einen Platz in der Marina. Am Steg haben wir Trinkwasser und Landstrom. Das wird die Reparaturen erleichtern. In der Marina gibt es ein Laundry Service, Duschen, eine Bar mit etwas zum Essen, sowie einen ganz guten Internetempfang.
Täglich zum Sonnenuntergang ist die Promenade von Cabedelo, der Stadt neben Jacaré, voll mit Spaziergängern. Ein Saxophonist im weißen Anzug spielt von einem am Fluss fahrenden Boot aus Ravels 'Bolero', der genau dann endet, wenn die Sonne untergeht. Mit einfachen Mitteln wird viel Stimmung erzeugt.
Auf die Promenade kommen zu dieser Zeit auch viele Katzen, die gefüttert werden und sehr zutraulich sind. Sie werden hier offensichtlich sehr gut behandelt, sehen gesund und zufrieden aus.
8. September :
Morgen fliegen wir für 6 Tage nach Rio de Janeiro. Nach Rio zu segeln ist wegen der vorherrschenden Süd-Ost-Winde und der nordsetzenden Strömung beschwerlich und zeitaufwändig. Unsere 'Crocodile' ist in der Marina Village Jacaré gut aufgehoben und sicher. Den Zuckerhut und Christus den Erlöser muss man gesehen haben, wenn man in Brasilien ist.
9. - 15. September:
Nach einem dreistündigen Flug sind wir in Rio. Rio ist mit 6,5 Millionen Einwohnern die zweigrößte Stadt und gehört zu den gefährlichsten Städten Brasiliens. Touristen wird geraten, einsame Straßen und Plätze zu meiden und möglichst in einer Gruppe zu bleiben. Dass jemand Englisch spricht, ist die absolute Ausnahme, alle Beschriftungen sind in Portugiesisch. Wir machen nur geführte Touren, werden vom Hotel abgeholt und zurückgebracht. Wir können nicht telefonieren und haben außerhalb des Hotels kein Internet, trotz mehrstündigem Aufenthalt bei zwei Providern. Hier selbst mit dem Auto zu fahren ist für uns wegen der Sprachbarriere unmöglich. Wenn man Probleme hat, kann man mit niemanden reden und ist verloren.
Die Stadt hat viele großzügige Parkanlagen. Das Bauland ist einerseits durch die steilen Granithügel und durch das Meer begrenzt. Dadurch wurde in allen Stadtvierteln hochgeschossig gebaut, mit teils sehr engen und hohen Straßenschluchten, die jedoch stets mit Bäumen begrünt sind. Es gibt eine schmale und sehr wohlhabende Oberschicht, eine komfortabel lebende, kleine Mittelschicht und eine sehr große Unterschicht, die mit dem Existenzminimum durchkommen muss.
Copacabana Beach
Unser Hotel ist etwa 50 m vom Copacabana Beach entfernt. Der weltberühmte, über 4 km lange Sandstrand mit seiner Promenade, einem Mosaikpflaster entworfen von Burle Marx, das rollende Wellen nachahmt, vermittelt eine einzigartige, etwas überdrehte Atmosphäre und man hat den Eindruck, dass sich das Leben von Jung und Alt hauptsächlich am Copacabana Beach abspielt. Die Größe und Weitläufigkeit sind beeindruckend, ebenso die schiere Masse an Menschen. Der Strand ist gepflegt und das Meer ist sauber. Die Uferstraße Avenida Atlântica wird gesäumt von Luxushotels.
Favela Rocinha
Wir besuchen die Favela Rocinha, sie hat über 100.000 Einwohner. Unser Guide ist in der Favela Rocinha aufgewachsen und wohnt jetzt als junger Erwachsener nach wie vor hier, und das gerne. Seine Informationen sind durch die eigenen Erfahrungen geprägt. Touristen sind hier sicher, obwohl es wenig Polizeipräsenz gibt. Für 'Sicherheit und Ordnung' in den Favelas sorgen die Drogenbosse. Sie sind daran interessiert, dass den Touristen nichts passiert, das wäre geschäftsschädigend, bringt die Polizei in die Favelas und damit schlechte Presse. Drogen (Kokain und Marihuana) werden auf sogenannten 'drug tables' ganz offen in Plastiksäckchen angeboten. Die Drogenbosse haben sich gegen den Verkauf von Crack und auch anderer Drogen entschieden, weil diese Suchtgifte die Kunden zu rasch umbringen. Hier ist fotografieren verboten.
Die Favelas sind dichtest und mehrstöckig bebautes öffentliches Land auf steilen Hügeln mitten in der Stadt. Die Bauqualität ist solide, weil die Favelas von denselben Bauarbeitern errichtet wurden und werden, die auch die Wolkenkratzer in Rio erbau(t)en. Die Elektrizitätsversorgung ist atemberaubend, funktioniert aber. Für die meisten 'Kunden' gibt es keine Zähler, sie werden kostenfrei mitversorgt, eine Stromabschaltung hätte enormes politisches Unruhepotential. Probleme sind in erster Linie die Abwasserentsorgung und starke Regenfälle. Es ist jeder Quadratmeter durch Gebäude oder Verkehrsflächen versiegelt und die oft sehr heftigen Regenfälle bilden auf dem steilen Gelände, den engen Gehwegen und Stiegen rasch reißende Sturzbäche. Durch Alarmsirenen werden die Bewohner gewarnt. Die Wasserversorgung erfolgt über Zisternen auf den Dächern, die über die öffentliche Wasserversorgung gespeist werden. Rohrleitungen führen an den Außenseiten der Gebäude in die einzelnen 'Wohnungen'.
'Wark da Rocinha' ist ein inzwischen international bekannter Graffiti-Künstler namens Marcos Rodrigo, der in der Favela Rocinha lebt. Seine Arbeiten sind bunt, vital und witzig.
Cristo Redentor
Auf dem 710 m hohen Corcovado steht die 30 Meter hohe und über 1.000 Tonnen schwere monumentale Art Deco Statue 'Christus der Erlöser', seine Arme schützend über die Stadt und über die Guanabara Bay ausbreitend. Der Kopf und die Hände stammen von dem französischen Bildhauer Paul Landowski, die übrige Statue wurde von lokalen brasilianischen Ingenieuren 1931 fertiggestellt. Cristo Redentor ist das Wahrzeichen von Rio de Janeiro.
Zuckerhut
Der Zuckerhut ist ein 396 Meter hoher, steiler Felsen auf der Halbinsel Urca am Eingang der Guanabara Bay. Zwei Seilbahnen mit einer Mittelstation führen zum Gipfel hinauf.
Von hier oben gibt es grandiose Ausblicke und liebe, ganz kleine Äffchen.
Fliesentreppe von Selarón
Die 125 Meter lange Stiege befindet sich im Stadtteil Lapa und ist eine Kreation des chilenischen Malers Jorge Selarón, an der er zwei Jahrzehnte lang gearbeitet hat. Er lebte bis zu seinem Tod vor 10 Jahren in Rio, litt unter Depressionen und war dem Alkohol, vor allem dem Bier, sehr zugetan. Die Fliesen sind in Anlehnung an die brasilianische Flagge in den Farben gelb, grün und blau gehalten. Er hat Fliesen aus über 60 Ländern und Städten in seine Fliesentreppe eingearbeitet. Es ist ein farbenprächtiges, opulentes Kunstwerk, das täglich hunderte Touristen anzieht.
Kathedrale San Sebastian
Brasilien ist noch eine mehrheitlich katholische Nation. Die Kirche hat Platz für 22.000 Gläubige und ist an Sonntagen bei der Messe gut besucht.
Mit der 130 Jahre alten Straßenbahn fahren wir in den Stadtteil Santa Teresa hinauf. Es ist das ehemals vornehme Viertel von Rio. Die zum Teil renovierungsbedürftigen Villen zeugen noch davon. Heute ist es eher ein Viertel für Künstler. Als eine sehr wohlhabende Mäzenin ohne Nachkommen verstarb, wurde ihr sehr schöner Besitz (das gelbe Gebäude mit den weißen Säulen) von Unterstandslosen besetzt und komplett devastiert. Vor 27 Jahren hat der Staat das Gebäude übernommen, jetzt werden Märkte für Künstler in dem Areal abgehalten. Der überwiegende Teil ist immer noch Ziegelmauerwerk ohne Decken und Wände. Als wir fragen, warum man nach 27 Jahren mit der Revitalisierung nicht schon längst fertig ist, antwortet unsere Führerin nur "welcome to Brazil".
Das Café Colombo zählt angeblich zu den 10 weltweit schönsten. Es erinnert sehr entfernt an den Demel in Wien, ein Touristenhotspot. Der Kaffee mit Schlagobers war gut.
High life auf der Dachterrasse unseres Hotels.
15. September:
Bevor wir am späten Nachmittag wieder zurück zu unserem Boot fliegen, genießen wir wie viele andere die Copacabana Promenade. Es ist Sonntag und eine mehrspurige Fahrbahn ist für Fußgänger, Rad- und Rollerfahrer gesperrt. Mädchen und Frauen zeigen sehr viel Haut, ohne dass es anzüglich wirkt. Es ist hier völlig normal und gehört zum Lebensgefühl. Eine ausgelassene Stelzengeherparade ist von ansteckender Lebenslust.
20. September:
Für heute ist unser erstes 'beaching' geplant. Wie vereinbart, holt uns um 6 Uhr früh ein Einheimischer von der Marina ab und weist uns den Weg zu einem wenige Seemeilen entfernten Seitenarm des Rio Paraiba mit einer großflächigen Sandbank, auf der wir in 1,6 m Tiefe bei Springflut ankern. Die Flut ist hier nur hoch genug bei Vollmond und wenige Tage davor bzw. danach. Der junge Mann spricht kein Wort Englisch, aber soviel bekommen wir mit, dass er uns morgen um 7 Uhr früh wieder abholt. Dann sind wir alleine und warten, bis das Wasser zurückgeht und unsere 'Crocodile' auf dem Sand steht.
Unsere Sorge, dass wir zu hoch über dem Boden sein würden und keine geeignete Leiter haben, erweist sich als unbegründet. Die Kiele graben sich bis fast zum Rumpf im Sand ein. Unser Boot hat etwa 11 Tonnen und der weiche Sand gibt dem Druck pro Quadratzentimeter an der schmalen Unterfläche der Kiele natürlich nach. Die Propeller schauen gerade noch heraus. Erwin muss eine Grube um die Propeller graben, um daran arbeiten zu können.
Erwin hatte sich schon des Öfteren für das 'beaching' interessiert, ich war immer froh, dass es bisher keine geeignete Gelegenheit gegeben hatte. Für uns beide ein neues Erlebnis, es ist überhaupt kein Problem, es ist billig und für das Boot schonend. Wir können wie geplant die Rümpfe reinigen und Erwin kann die Propellereinstellung optimieren und Fett in die Propeller hineinpressen.
Vom Ort in der Nähe hören wir nur Musik, Stimmen und Hundegebell. Das Internet ist besser als in der Marina und wir verbringen nach einem sehr anstrengenden Tag eine ruhige Nacht.
Igreja de Sao Francisco
Wenige Kilometer von Jacaré entfernt befindet sich Joao Pessoa, die drittälteste Stadt Brasiliens, gegründet 1585. Im historischen Zentrum der Stadt befindet sich die beeindruckende barocke Kirche Igreja de Sao Francisco, die von den Franziskanern erbaut wurde, was 110 Jahre dauerte.
Die gesamte Anlage umfasst zwei Kirchen, Sakristei, eine kleine Kapelle für die schwarzen Sklaven, einen Kreuzgang, ein Refektorium und Zellen für die Mönche, die dem Gebot der Armut entsprechend spärlichst ausgestattet sind. Die persönliche Armut hat ihren Gegenpol in der überbordenden und opulenten Formensprache der kirchlichen Architektur und Ausstattung.
Die Führung durch den Kirchenkomplex, die ein junger Guide für uns beide macht, indem er den englischen Text von seinem Mobiltelefon liest, endet mit dem Besuch der Kunstgalerie im oberen Stockwerk, in der unzählige Exponate unterschiedlicher Epochen und Kunstrichtungen gezeigt werden.
27. September:
Unsere 'Crocodile' ist - bis auf das Batterie-Problem, das frühestens in Trinidad gelöst werden kann - bereit und wir werden in zwei bis drei Tagen Richtung Nordwesten zur Insel Lencois ablegen. Segler, die dort waren, schwärmen von diesem völlig abgeschieden gelegenen Naturparadies mit Dünen und mit vielen roten Ibissen. Für die etwa 800 Seemeilen werden wir 6 -7 Tage unterwegs sein. Wir wollen nicht die Küste entlangsegeln, sondern aus Sicherheitsgründen eine küstenferne Route wählen.
Ein letztes Mal gehen wir die wenigen Minuten am Strand entlang von der Marina nach Cadedelo hinüber. Den 'Bolero' genießen wir bei einem sehr guten brasilianischen Essen hoch oben vom 'Tree House' aus.
1. Oktober:
Nach einem Monat ist es soweit, wir segeln weiter. Um 7 Uhr früh legen wir von der Marina Richtung Insel Lencois ab. Die erste Stunde segeln wir mit Vorsegel und ausströmender Flut im Rio Paraiba Richtung Südatlantik. Draußen setzen wir das Groß. Wir segeln etwa 30 - 35 Seemeilen von der Küste entfernt. Wir haben regen Cargo-Schiff-Verkehr in beiden Richtungen, sehen keine Fischerboote. Die Sonne scheint, der Wind mit 17 - 20 Knoten kommt aus Süd-Ost, die durchschnittliche Bootsgeschwindigkeit ist 6,6 Knoten. Gegen Abend wird die See zunehmend rauer.
Ohne Solarstrom müssen wir ab 19 Uhr alle zwei Stunden einen Motor (ohne Schraube) starten. Der Low Voltage Alarm (LVA) geht bereits bei 94% Batterieladung los.
2. Oktober:
Der Wind dreht zunehmend auf Ost (ESE), wir segeln mit Groß und Vorsegel in 'Butterfly'-Stellung, die Bootsgeschwindigkeit ist um die 7 Knoten.
Am 3. Oktober legt der Wind auf 20+ Knoten, in den Böen auf bis zu 25 Knoten zu. Der Kurs mit den Segeln in 'Butterfly'-Stellung ist nur mit Motorunterstützung zu halten. Wir sind schnell (8+ Knoten, maximal 10,1 Knoten), haben eine sehr harte Nacht.
4. Oktober:
Wir bergen im Morgengrauen bei 30 Knoten Wind das Groß und segeln nur mit dem ausgebaumten Vorsegel weiter. Die Bootsgeschwindigkeiten sind ohne Groß immer noch +/- 7 Knoten, die Welle kommt von achtern. Es ist ein sehr ruhiges Dahinsegeln bei wolkenlosem Himmel. Am Abend dreht der Wind von ESE über E Richtung Norden (ENE).
Inzwischen alarmiert ab Einbruch der Dunkelheit der LVA bereits bei 96,9% Batterieladung, wir sind sehr besorgt. Um die zweistündlichen Motor-Intervalle nicht verkürzen zu müssen, sind in der Nacht die drei Kühlschränke nur noch eingeschaltet, wenn ein Motor läuft.
5. Oktober:
Der Wind dreht von ENE zunehmend auf Ost und schwächt sich ab. Konnten wir anfänglich die großen Vorwindsegel nicht einsetzen, weil der Wind zu stark war, können wir sie nun nicht verwenden, weil der Wind zu schwach ist.
Am späten Nachmittag, wir nähern uns bereits Lencois, haben wir mit einer starken Gegenströmung (auslaufende Flut) zu kämpfen, müssen mit Motorunterstützung segeln.
6.Oktober:
In der Früh, gerade noch rechtzeitig, beißt ein Mahi-Mahi an. Wir können ihn in Ruhe filetieren, bevor wir, wie geplant bei Ebbe, in den Gezeitenfluss hineinfahren. Zu Mittag ist er bereits auf dem Tisch.
6. - 11. Oktober
Am frühen Nachmittag lassen wir vor den gewaltigen Dünen den Anker fallen. Für die 802 Seemeilen von Jacaré hierher haben wir 5 Tage + Nächte und 7 Stunden gebraucht. Zwei weitere Segelboote ankern in unserer Nähe.
Im Gezeitenfluss gibt es mit dem Wechsel von Flut zu Ebbe starke Strömungen, der Unterschied zwischen Flut Hochwasser und Ebbe Niedrigwasser ist bis zu 5 Meter. Das hat starke Auswirkungen auf die Sandbänke, die erscheinen und wieder verschwinden.
Das Boot dreht sich um 180° in den wechselnden Strömungen, das passiert hier praktisch geräuschlos und wir bemerken es kaum. Das haben wir auch schon ganz anders erlebt.
Unser Außenborder lässt sich nach wie vor nicht starten, trotz aller Bemühungen und zweimaliger Reparaturversuche in der Werkstätte bei der Marina in Jacaré. Von unserem Ankerplatz ist es relativ nahe zum Ufer. Mit einem Rudersprint von Erwin können wir das Ufer erreichen. Wir ziehen das Dinghy am Ufer zu einer Stelle, von der wir die Strömung mit uns zu unserem Boot zurück haben. Das geht ganz gut, längere Ausflüge in die Wasserarme in den Mangroven können nicht machen, zu riskant und zu schweißtreibend. Das ist sehr schade, denn vom Ankerplatz aus sehen wir Vögel hochfliegen und hören ihre Rufe.
Wir besuchen den Ort. Die wenigen Menschen die wir sehen, liegen in Hängematten. Die Wege sind nur Sand, hier gibt es keine Autos, dafür ist die Insel zu klein. Im Sandboden gibt es hin uns wieder Flächen, in denen der Sand nicht weiß, sondern durch schwarzen Sand leicht grau ist. Wir gehen barfuß und der geringe Farbunterschied ist die Ursache für einen enormen Unterschied in der Oberflächentemperatur. Auf dem grauen Sandboden können wir kaum länger gehen und müssen flüchten, die Fußsohlen glühen und es ist sehr schmerzhaft. Wir suchen im Ort nach Laura, die in der brasilianischen Segler-WhatsApp Gruppe präsent ist. Sie führt ein ganz kleines Geschäft für den täglichen Bedarf, in dem es für uns nichts zu kaufen gibt. Laura ist bei den Seglern bekannt und soll die besten Shrimps im weiten Umkreis und ein kühles Bier servieren. Leider ist sie nicht da.
Es gibt hier wunderschöne rote Ibisse, sie sind nur sehr scheu und wenn ich mich mit dem Fotoapparat nähere, fliegen sie weg.
Einen Tag nach uns kommen Brent und Ana mit ihrer 'Impi', die wir in der Marina in Jacaré kennengelernt haben.
Zum Sundowner treffen einander die 4 Crews auf ihrem Boot.
Es sind unbeschwerte Stunden mit mitgebrachten Snacks, Getränken und interessanten, abenteuerlichen Geschichten. Die unglaublichste Geschichte handelt von einem finnischen Seglerehepaar, er wird vom Großbaum getroffen und geht über Bord, raue See und volle Besegelung, sie ist völlig verzweifelt und wie von Sinnen. Da kommt er auf das Boot zurück. Die Schleppangel mit einem Haken hat sich in seinem Oberarm gehakt und an der Schleppleine hat er sich zurück aufs Boot gezogen.
An einem Spätnachmittag machen wir eine ausgedehnte, mehrstündige Dünenwanderung. Wir sind ganz alleine da oben, es ist wunderschön und einmalig. Im warmen Licht der tiefstehenden Sonne kommen die Kanten und harmonischen Formen besonders wirkungsvoll zur Geltung. Die Dünen sind wie eine Fortsetzung der Meereswellen, durch den stetigen Wind wird der Sand zu wunderbaren Formen modelliert. Der Wind ordnet die Sandkörner, die unterschiedliches Gewicht und Farbe haben, in ganz regelmäßige Strukturen, die großen ästhetischen und graphischen Reiz haben.
Am 10. Oktober kommt ein weiteres Boot. Es ist die 'Heaven's Door' mit Jem, der uns in St. Helena ein gebrauchtes Fall überlassen hat. Unser Fall für den Code Zero bzw. den asymmetrischen Spinnaker ist auf der Überfahrt von Kapstadt nach St.Helena gebrochen. Ohne das Fall von Jem hätten wir die beiden Segel wahrscheinlich bis Trinidad nicht mehr verwenden können. Die Seglerwelt ist klein.
11. Oktober:
Nach 5 wunderbaren Tagen Inselfeeling legen wir Richtung Amazonas ab. Wir haben die letzten Tage viel überlegt, ob wir den Amazonas aus Sicherheitsgründen - die Amazonas-Rally findet heuer nicht statt - auslassen sollen oder nicht und haben uns dafür entschieden. Wir würden gerne mit einem oder zwei Booten in den Amazonas hineinfahren, haben bis jetzt aber noch kein weiteres gefunden. Die meisten Boote lassen den Amazonas aus und segeln nach Französisch Guyana oder gleich nach Trinidad.
Wir wählen wieder eine küstenferne Route. Sie ist zwar um einiges länger, wir können damit aber den Fischern und ihren Netzen ausweichen.
Der Wind kommt mit 12 - 20 Knoten beständig aus Ost-Nord-Ost. Die ersten Stunden, solange wir von der Küste wegfahren, haben wir starke Gegenströmung und den Wind auf die Nase, müssen mit Motorunterstützung segeln. Mit der Richtungsänderung dann parallel zur Küste haben wir achterliche Winde und auch die Welle von hinten. Die Nächte, fast Vollmond und wolkenlos, sind angenehm hell. Wir sehen nur vereinzelt Cargo-Schiffe, keine Fischerboote.
Der LVA geht anfänglich bei 98,5% Batterieladung los, zuletzt bei 99,4%. Wenn der Motor ohne Schraube läuft, löst schon der Toaster einen LVA aus, benötigt zumindest 1.400 Umdrehungen.
13. Oktober:
Gegen 20 Uhr nähern wir uns der Amazonaszufahrt. Anders als in der elektronischen Karte angezeigt und erwartet, sind die Tonnen nicht beleuchtet. Wir halten uns strikt an die vorgegebene Route. Die Zufahrt ist unglaublich breit und es gibt überhaupt keinen Schiffsverkehr, wir sehen keine Lichter, nichts. Wir wundern uns, ist doch Belém mit 1,5 Millionen Einwohnern der wichtigste Hafen und das ökonomische Zentrum im Norden Brasiliens. Zusammen mit dem Umland leben hier 2,4 Millionen Menschen.
Der Wind kommt nach wie vor aus Ost-Nord-Ost, wir segeln mit ausgebaumtem Vorsegel. Wir haben Gegenstrom, der bis auf maximal 5 Knoten ansteigt. Zum Glück kommt der Wind mit 18 - 22 Knoten von achtern, sodass wir mit Motor (2.100 Umdrehungen) zumindest auf durchschnittlich 3 Knoten Bootsgeschwindigkeit kommen, minimale Geschwindigkeit 1,8 Knoten.
14. Oktober:
Gegen 2 Uhr früh beobachten wir keinen Gegenstrom mehr, die See ist deutlich ruhiger geworden, der Wind hat auf unter 10 Knoten abgenommen, kommt nach wie vor von achtern. Der Strom ist nun mit uns, allerdings recht schwach, nur einmal werden 2,3 Knoten angezeigt. Die Tidenkurven von Garmin und die Realität passen nicht zusammen.
Gegen 9 Uhr fahren wir in den Furo (ein natürlicher Kanal, der zwei größere Flüsse miteinander verbindet) Maguari hinein. Hier ist die Wassertiefe recht unterschiedlich, man muss aufpassen. Wir halten uns an die von Delcio (Commodore vom Yachtclub) geschickten Wegpunkte und erreichen nach 305 Seemeilen die Aero & Nauta Marina.
Aero & Nauta Marina
14. Oktober - 29. Oktober:
Es gibt nur einen Steg, der Platz für zwei Segelboote bietet, wir sind derzeit das einzige Boot. In der Nacht ist der Steg mit zwei Scheinwerfern hell erleuchtet und es gibt einen Wachdienst.
Wir werden sehr freundlich empfangen. Es gibt Strom und Wasser am Steg, in der etwas erhöht liegenden großzügigen Clubanlage gibt es einen Pool. Der Club hat 72 Mitglieder, die meisten haben Motorboote oder Water Scooter, es gibt auch ein paar Kleinflugzeuge (daher Aero & Nauta). Der Club wird vorwiegend an den Wochenenden frequentiert, weshalb es nur samstags und sonntags in der Früh und zu Mittag einen Restaurantbetrieb gibt.
Wir haben uns entschlossen, noch einmal AGM-Batterien zu kaufen. Die Entscheidung ist uns alles andere als leicht gefallen, weil wir auf Lithiumbatterien umsteigen wollten. Hier sind diese sehr schwer zu bekommen und bis nach Trinidad ist es noch weit.
16. Oktober:
In der Früh kommt auch die 'Heaven's Door' von Lencois hierher und legt vor uns am Steg an.
Die neuen Batterien werden geliefert und Erwin baut sie sofort ein. Der Batterieraum ist unter unserem Bett. Es ist heiß und schwül und eine sehr anstrengende, schweißtreibende Arbeit trotz auf Hochtouren laufender Klimaanlage. Hoffentlich erleben wir mit den neuen Batterien nicht wieder so eine Katastrophe.
Belém
17. Oktober:
Den heutigen Tag verbringen wir in Belém. Die Stadt wurde 1616 von den Portugiesen gegründet. Wir besuchen die Festung 'Forte do Presépio', die mit dutzenden Kanonen einen sehr wehrhaften Eindruck macht. Offensichtlich wurde der englische und holländische Schiffsverkehr über den Südatlantik zu den Gewürzinseln als Bedrohung gesehen.
In der Festung befindet sich das kleine aber feine 'Museu do Encontro' mit präkolonialen archäologischen Funden sowie kunstvollen indigenen Keramiken und Urnen.
Das Museum gibt auch einen Einblick, wie die indianische Urbevölkerung in zeitgenössischen Darstellungen entmenschlicht dargestellt wurde, wodurch ihre Entrechtung und Enteignung politisch begründet war. Zu ihrer 'Rettung' kommt dann die Religion.
Eine großzügig angelegte Parkanlage 'Mangal das Garcas' in einem Feuchtbodenbereich mit einigen kleinen Seen befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Zentrum und zählt zu den Hauptattraktionen der Stadt. Die 4 km2 große Anlage ist eingezäunt und bewacht. Es ist eine grüne Oase mit einem exzellenten Restaurant und einem Aussichtsturm, der einen attraktiven Rundumblick auf die Stadt und den Guamá River bietet.
Man kann hier viele einheimische Pflanzen und Tiere, vor allem Vögel, beobachten. Sie bewegen sich ohne Scheu vor den Besuchern.
Im Schmetterlingshaus gibt es kaum Schmetterlinge, aber wir werden durch eine ganz liebe und gar nicht scheue Eule entschädigt. Sie lässt uns bis auf einen Meter herankommen und schaut uns mit großen Augen an.
19. Oktober:
Mit einem kleinen Boot machen wir einen Tagesausflug in die verzweigte Flusslandschaft des Amazonasdeltas. Wir starten in Belém und fahren am Rio Guamá über den Rio Acará zu den schmalen Kanälen (Furos) und Seitenarmen (Igarapés).
In den Bäumen sehen wir zuerst die großen, hängenden Nester, dann hören wir die melodischen, sehr lauten Rufe und erst dann entdecken wir die zwei relativ kleinen gelbschwarzen Gelbbürzelkassike. Es sind Singvögel, die in Südamerika heimisch sind.
Wir sehen an den Flüssen viele, auf Stelzen stehende Holzhäuser. Wir erfahren von unserem Guide, dass die hier auf Palmen wachsende Acai-Frucht einen regelrechten Exportboom ausgelöst hat und für die in dieser Region lebenden Menschen eine neue Einnahmemöglichkeit erschlossen hat. Die Acai-Beeren haben unter anderem einen hohen Gehalt an Antioxidantien und Omega-3-Fettsäuren und werden weltweit Antiaging-Mitteln beigefügt. Für die im unteren Amazonasgebiet lebenden Menschen ist die Acai-Frucht ein Grundnahrungsmittel.
Bevor wir unsere Dschungelwanderung beginnen und tiefer in den Wald hineingehen, treffen wir auf einen zutraulichen Papagei, der bei einem einsam lebenden älteren Mann in der Wildnis lebt. Der Papagei freut sich über die vorbeikommenden Fremden und bringt das ganz rührend zum Ausdruck.
Bei der Urwaldwanderung kommen wir an einem Baumriesen vorbei, ein rund 350 Jahre alter Samaúma. Dieser Baum diente für den Film 'Avatar' als Modell für die phantastischen schwebenden Bäume. Auf dem Weg erfahren wir viel Interessantes über die Flora und wir kosten die Milch eines Gummibaumes. Naturkautschuk war das weiße Gold der Amazonasregion und Belém war eine reiche Stadt, erlebte ihre Blütezeit zwischen 1890 und 1920.
Delcio, der im Clubareal ein Wochenenddomizil hat, lädt uns und die Crew der 'Heaven's Door' zu einem abendlichen Pizzaessen ein. Delcio ist ein perfekter Gastgeber, die Pizza schmeckt hervorragend, die Stimmung ist ausgezeichnet, die anwesenden BrasilianerInnen sprechen Englisch. Jem von der 'Heaven's Door' erzählt von seiner Kollision mit einem Container im Indischen Ozean. Er war alleine unterwegs, sein Katamaran hatte Totalschaden mit Wassereintritt und war manövrierunfähig. Er musste 8 Tage auf Rettung warten, sein EPIRB hatte offensichtlich kein Signal abgegeben. Er wurde von einem vorbeikommenden Cargo-Schiff aufgenommen. Sein Katamaran wurde Monate später auf den Malediven angeschwemmt.
Belém
21. Oktober:
Den heutigen Tag verbringen wir wieder in Belém. Wir haben einen passabel Englisch sprechenden Guide mit Auto engagiert. Wir beginnen mit dem Besuch des berühmten 'Ver-o-Peso markets'. Es ist einer der größten Märkte im Freien von Lateinamerika. Wir verkosten Smoothies von für uns völlig unbekannten brasilianischen Früchten und kaufen Obst ein.
Direkt an den Markt anschließend ist eine Anlegestelle für Fischerboote und eine Zeile von portugiesischen Kolonialbauten. Nur wenige Gebäude sind restauriert, die meisten zeigen deutliche Verfallserscheinungen und sind zum Teil mit Graffiti verunstaltet. Offensichtlich hat man den Wert der historischen Bauten für den Tourismus noch nicht erkannt.
Wir besichtigen die 'Kathedrale der Sem', Sitz der Erzdiözese von Belém. Die Architektur ist außen Barock, innen neoklassizistisch. Interessant sind die Kupferkandelaber. Alles in der Kirche ist importiert, ein Ausdruck des damaligen großen Reichtums durch den Kautschukboom.
Die Kathedrale ist Ausgangspunkt der 'Cirio de Nazaré', einem jährlichen Kirchenfest, das jeden zweiten Sonntag im Oktober stattfindet. Die Prozession beginnt bei der Kathedrale und endet bei der Basilica de Nossa Nazaré. Laut unserem Guide kommen zu diesem Anlass Millionen Gläubige nach Belém.
Die Architektur der Anfang des 20. Jahrhunderts erbauten 'Basilica de Nossa Senhora de Nazaré' erinnert entfernt an den Petersdom in Rom. Die Basilika zählt zu den schönsten Kirchen Lateinamerikas. Sie ist sehr angenehm kühl klimatisiert und wir sehen viele Gläubige. Wenn man die Hand der Gottesmutter auf einer der Bronzetafeln des Eingangstores berührt, dann darf man sich etwas wünschen.
In einem weniger touristischen Teil des Zentrums wollen wir eine weitere Kirche, die 'Igreja Nossa Senhora do Carmo' besuchen. Es war die erste Kirche im Amazonasgebiet, ihr Bau wurde Anfang des 17. Jahrhunderts begonnen. Sie ist leider geschlossen. Dieser Stadtteil wäre sehr schön, macht aber leider einen heruntergekommenen Eindruck.
27. Oktober:
Heute ist der Tag der großen Enttäuschung. Ein von Delcio organisierter Mechaniker hatte sich (nach mehrmaligen erfolglosen Bemühungen in Jacaré) unseres Außenborders angenommen. Der Vergaser wurde in einer Werkstätte speziell gereinigt, bei der Probefahrt startete der Motor mehrere Male problemlos. Leider wurde kein Kühlwasser gefördert, der Mechaniker meinte, dass der Impeller ersetzt werden muss. Der Impeller wurde bestellt und heute geliefert, nur war der neu gelieferte nicht der richtige.
Ohne sicher funktionierenden Außenborder am Dinghy haben wir es sehr schwer. Wir können nicht tiefer in den Amazonas vordringen, die Strömungen sind überall stark. Das gleiche Problem wird sich auch in Französisch-Guyana und in Suriname stellen. Man ankert auch dort in Gezeitenflüssen, ist naturgemäß starken Strömungen ausgesetzt.
29. Oktober:
Heute wechseln wir zu einem Yachtclub in Belém. Um 13:30 Uhr legen wir von der Aero & Nauta Marina ab. Wir sollten Strom mit uns haben, haben aber Gegenstrom, dadurch ziehen sich die 40 Seemeilen den Amazonas hinauf extrem. Es ist schon stockfinster, als wir endlich im Rio Guama vor dem Yachtclub den Anker fallen lassen können. Jem mit seiner Heaven's Door ist ebenfalls hier.
Marina/Yachtclub Belém
29. Oktober - 2. November:
Der Außenborder läßt sich nun mit einem Zug am Starterkabel starten. Das ist eine große Verbesserung. Erwin montiert den falsch gelieferten Impeller kraftschlüssig auf der Welle, alles schaut gut aus, nur leider funktioniert es nicht. Es wird zwar tröpfchenweise Kühlwasser gefördert, bei mehr Gas etwas mehr, aber bei weitem nicht ausreichend. Die Schaufeln des falsch gelieferten Impellers sind zu weich, um Kühlwasser zu fördern. Ohne Kühlwasser würde der Motor nach ein bis zwei Minuten überhitzen, wäre dann endgültig kaputt. Zum Glück ist der Steg zum Anlegen für das Dinghy sehr nah. Wahrscheinlich werden wir erst in Trinidad den richtigen Impeller von Honda bekommen. Das ist sehr schade.
Uns wurde der 'Lider' Supermarkt empfohlen. Wir sind angenehm überrascht, er ist riesig. Wir kaufen Unmengen ein, die Taxifahrt zum Yachtclub kostet drei Euro.
Eigentlich ist das hier weder ein Yachtclub, noch eine Marina, eher ein Restaurant mit einem Steg, an dem kleine Boote anlegen können und wir unser Dinghy lassen können. Es gibt kein Office, die Bürokratie funktioniert trotzdem. Die Ankergebühr wird, während wir im Restaurant essen, im Vorbeigehen eingehoben. Der Bereich wird Tag und Nacht bewacht. Uns ist der Ankerplatz hier recht sympathisch, das Essen im Resaurant ist einfach, aber frisch und gut und wir sind mit Uber in wenigen Minuten im Zentrum.
Wir besuchen das 'Teatro da Paz', das 1878 seine Tore öffnete. Es ist ein Beispiel von vielen für die frühe Kautschukboom-Architektur in der Amazonasregion. Alles wurde importiert, ausgenommen Gegenstände und Konstruktionen, die aus Holz hergestellt werden konnten. Der Aufwand zu der damaligen Zeit für die Kirchen und für das Opernhaus ist kaum vorstellbar. Die mächtigen Säulen, die kunstvollen Kandelaber, alles was aus Stein oder Metall ist, musste importiert werden. Hier gibt es keine Steinbrüche und auch keine Metallverarbeitung. Naturkautschuk aus Amazonien war für rund 30 Jahre das einzige Material, aus dem Autoreifen für die beginnende Motorisierung, insbesondere in den USA, hergestellt werden konnten.
Umgeben ist das Teatro da Paz von einer Parkanlage mit riesigen Bäumen und Pavillons.
Am Flussufer wurde eine Reihe alter Lagerhäuser in eine chice Ausgehmeile mit Restaurants, Bars, Shops, etc. umgewandelt. Die alten Strukturen wurden erhalten und sensibel überholt, die Ladekräne gelb gestrichen. 'Estacao das Docas' ist bei der Bevölkerung sehr beliebt und zu jeder Tageszeit gut besucht. Es ist ein sehr sicherer Bereich, an den Eingängen sieht man Polizeipräsenz.
2. November:
Unser Brasilienaufenthalt geht zu Ende. Vor der Überfahrt nach Französisch-Guyana wollen wir noch unsere Tanks voll machen. Von Delcio haben wir die Koordinaten von einer Tankstelle. Das Tanken gestaltet sich abenteuerlich. Ein Ausflugsboot steht vor der Tankstelle. Man deutet uns, dass wir uns längsseits, hinter einem Schiff, dazu stellen sollen, was trotz Wind und starker Strömung gut gelingt, wir vertäuen uns mit dem Ausflugsboot. Um zur Tankstelle zu kommen, muss Erwin zum anderen Schiff hinübersteigen, die Stege an den beiden Bordwänden sind kaum fußbreit. Wir füllen unsere zwei Tanks randvoll. Diesel kostet hier 0,92 €, eine angenehme Überraschung.
Wir fahren entlang Belém, sehen in der Ferne die Kathedrale, das Fort, den Ver-o-Peso Markt, die anschließenden Estacao das Docas und die lange Reihe an Wolkenkratzern, das war Belém. Manaus, die zweite Millionenstadt Amazoniens liegt tiefer im Amazonas.
Die 45 Seemeilen nach Soure sind sehr unkomfortabel. Damit haben wir nicht gerechnet. Wir haben Nordwind genau auf die Nase mit bis zu 31 Knoten, da hilft auch der Strom mit uns von 2 - 3,5 Knoten nur bedingt. Sonst ist doch immer Ostwind hier. Das stimmt auch für das offene Meer, aber in der sehr breiten Wasserstraße nach Belém dreht der Wind lokal auf Norden. Wir fahren mit beiden Motoren, die Wellen von vorne sind aufgrund der geringen Tiefe und Wind gegen Strom kurz aufeinanderfolgend, steil und wild. Bei jedem Eintauchen in ein Wellental wird das ganze Boot mit Gischt übersprüht. Alle Luken sind dicht. Um 18:05 geht die Sonne unter. Jetzt haben wir noch rund eine halbe Stunde Dämmerung, um den Ankerplatz zu erreichen. Endlich können wir in den Gezeitenfluss einbiegen, an dem Soure liegt, nach einigen dutzend Metern ist das Wasser flach. Die steigende Flut schiebt uns an und mit über 8 Knoten rauschen wir hinein.
Soure
2. - 4. November:
Um 19 Uhr kommen wir zu unserem Ankerplatz vor Soure. Es ist bereits ziemlich finster. Dabei kreuzen wir eine Autofähre und eine Personenfähre, beide bescheiden beleuchtet und natürlich ohne AIS. Wir sind das einzige Segelboot hier. Wir lassen den Anker fallen und uns kurz danach ins Bett.
3. November:
Der Ankerplatz ist ruhig und friedlich, am Ufer hören wir viele Vogelstimmen und sehen rote Ibisse und Reiher in den Bäumen sitzen. Wir haben beschlossen, Marajo Island, die weltgrößte Flussinsel von der Größe der Schweiz, nicht zu besuchen. Interessant wären die Wasserbüffel, 60.000 sollen auf der Insel - meistens in Farmen - leben, die Polizei reitet auf ihnen, auch ein Statement für den Zustand der Straßen und Wege. Die Strömung ist hier im Rio Paracauari, einem Gezeitenfluss, stark und zum Ufer ist es weit.
4. November:
Um 8:45 holen wir den Anker auf und legen Richtung Französisch-Guyana ab. Wir haben eine starke Strömung von vorne-seitlich mit bis zu 3 Knoten, die uns sehr zu schaffen macht, es ist mühsam, den Kurs zu halten. Zudem kommt der Wind mit bis zu 25 Knoten von vorne, die Wellen sind sehr unangenehm. Wir fahren mit beiden Motoren (2.000 - 2.200 U/min), erreichen damit gerade einmal eine Bootsgeschwindigkeit um die 3 Knoten, minimal 1,7 Knoten. Auf die Angaben der Gezeiten ist in dieser riesigen und vernetzten Wasserwelt kein Verlaß. Die nächstgelegene Meßstation ist rund 35 km weit weg und Angaben von dort sind lediglich eine grobe Orientierung. Vorausplanung ist möglich, stimmt aber des öfteren nicht. Man muß losfahren und nehmen was kommt.
Neben unserem Boot tauchen ein paar Mal Amazonas Delphine auf. Ihre Haut ist rosa, außer ihre Rücken und entsprechende Wellen sieht man nicht viel von ihnen. Kein Vergleich zu den Delphinen in Tasmanien, die spielerisch zum Boot kommen, elegant und kraftvoll Schritt halten, auf dem Rücken und in Seitenlage schwimmen und man das Gefühl hat, dass sie Blickkontakt suchen.
Nach etwa 4 Stunden beginnt der Strom zu kippen und nimmt auf maximal 3,6 Knoten in unsere Richtung zu. Der Wind hat von Nord-Ost über Ost-Nord-Ost auf Ost gedreht und wir können das Vorsegel ausrollen, der Windwinkel ist mit rund 40° bescheiden. Nach wie vor laufen beide Motoren, wir wollen den Rio Pará hinter uns haben, wenn die Strömung wieder landeinwärts dreht. Wir erreichen bis zu 9 Knoten Bootsgeschwindigkeit. Die Fahrt durch den Rio Pará hinaus in den Atlantik ist eine Herausforderung. Im Atlantik ist die See endlich deutlich ruhiger, das Wasser bleibt weiterhin sehr trüb, ist manchmal hellbraun, dunkelbraun oder schwarzgrün, nie türkisblau. Die feinschluffigen Sedimente können sich in den kurzen Stillwasserperioden zwischen Ebbe und Flut nicht absetzen und sind daher ständig Bestandteil der Gewässer.
Es gibt regen Verkehr von Fischerbooten und wir sehen immer wieder Bojen und Netze. Einmal ist innerhalb von Sekunden plötzlich eine Reihe von Bojen direkt vor uns, ein Ausweichmanöver sinnlos, Erwin nimmt eine Boje zwischen die Rümpfe und fährt einfach drüber, zum Glück verfängt sich kein Netz bei uns. Glück gehabt.
Um 17:30 Uhr bemerken wir, dass der eingerollte Code Zero plötzlich ausweht und stellen mit Entsetzen fest, dass sich eine Schot in der Backbordschraube verfangen hat. Der Backbordmotor stirbt ab, Versuche, die Schot vom Deck aus von der Schraube freizubekommen, scheitern. Bis Französisch-Guyana haben wir etwa 500 Seemeilen vor uns. Das Wasser ist hier nicht tief, wir könnten ankern, aber es ist dunkelbraun und die Sicht unter Wasser praktisch Null. Wir beschließen, mit dem Vorsegel und dem einen Motor durch die Nacht zu fahren und in der Früh zu überlegen, wie wir weiter vorgehen. Erwin entfernt die in der Schraube verfangene Schot vom Code Zero und sichert den Code Zero auf dem Deck.
5. November:
Die Sonne scheint, es ist sehr warm und die Luftfeuchtigkeit hoch. Die See ist ruhig, wir sind in einer Flaute, der Wind aus ENE erreicht maximal 6,2 Knoten. Wir segeln mit Vorsegel und Motorunterstützung.
Wir beschließen, nur mit dem Steuerbordmotor weiterzufahren und die Schot erst in Französisch Guyana von der Backbordschraube zu entfernen.
Immer wieder kommen Seeschwalben zum Ausrasten vorbei. Wir haben nicht das Herz, sie zu verscheuchen, obwohl sie deutliche Spuren hinterlassen, die nur mit dem Hochdruckreiniger zu entfernen sind. In der Abenddämmerung kommen wieder welche angeflogen und lassen sich auf der Reeling nieder, putzen ausgiebig ihr Gefieder, wir zählen 9, sie wollen offensichtlich bei uns übernachten.
In der Nacht auf den 6. November nimmt der Wind etwas zu und wir können zeitweise auf die Motorunterstützung verzichten.
6. November:
In der Früh macht Erwin den Code Zero wieder einsatzbereit und wir segeln mit Wind aus Ost mit etwas mehr als halber Windgeschwindigkeit ruhig dahin. Die aktuell heruntergeladenen Prognosen sagen eine moderate Zunahme des Windes voraus, wir rechnen damit, bis 8. November in der Nacht mit dem Code Zero segeln zu können. Danach soll der Wind auf über 18 Knoten zunehmen, was für den Code Zero zu viel wäre, wir werden sehen, die Prognosen unterscheiden sich hier oft von der Realität.
Erst am 7. November erscheint der Atlantik makroskopisch wieder sauber und türkisblau und wir getrauen uns, den Wassermacher zu verwenden.
Am 8. November in der Früh kommen Gewitterwolken auf, die See wird rauer, der Wind nimmt zu. Wir bergen den Code Zero gerade noch rechtzeitig, kurz darauf haben wir bereits 20 Knoten Wind. Die letzten 5 Stunden segeln wir mit dem Vorsegel zu den drei, dem Festland von Französisch Guyana vorgelagerten Inseln (Iles du Salut). Hier wollen wir ein bis zwei Tage bleiben, bevor wir nach Kourou, das am Festland liegt und nur 10 Seemeilen von den Inseln entfernt ist, weitersegeln.